• 1. Frühe Jahre
  • 2. Offizielle Eröffnung
  • 3. Konferenz-zentrum
  • 4. Erweiterung
  • 5. Justizfortbildung
  • 6. Reformen

Gründung und frühe Jahre

Die Gründung der Europäischen Rechtsakademie Trier in der Rechtsform einer gemeinnützigen öffentlichen Stiftung am 22. Juni 1992 fiel nicht zufällig in das Jahr der Vollendung des europäischen Binnenmarktes. Auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 hatte die Europäische Kommission unter Jacques Delors ein umfassendes Gesetzgebungsprogramm zur Verwirklichung des Binnenmarktes bis Ende 1992 ins Werk gesetzt, das erstmals die wachsende Relevanz des gemeinschaftlichen Rechts für die Rechtspraktiker in allen zwölf damaligen Mitgliedstaaten bewusst werden ließ. Der am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichnete Vertrag über die Europäische Union mit seinen nochmals erweiterten Gesetzgebungskompetenzen machte darüber hinaus deutlich, dass die immer weitergehende Integration mit den Mitteln der Rechtssetzung auch nach 1992 vertieft und fortgesetzt werden würde.

Dabei war schon früh offensichtlich, dass Anwälte und Notare, Richter und Staatsanwälte, Unternehmensjuristen, Beamte und andere Rechtspraktiker regelmäßige Fortbildung und ein Diskussionsforum benötigen würden, um auf dem für sie neuen Gebiet des europäischen Gemeinschaftsrechts auf dem neuesten Stand der Entwicklungen zu bleiben. Bereits 1990 forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, sich für ein Fortbildungszentrum für Juristen einzusetzen, um die Anwendung und Durchsetzung des europäischen Rechts zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund erarbeitete der damalige Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz Peter Caesar im Zusammenwirken mit den Europa-Abgeordneten Horst Langes und Willi Rothley, beide ebenfalls aus Rheinland-Pfalz, und der Gesellschaft für Rechtspolitik unter Federführung des Trierer Europarechtlers Peter-Christian Müller-Graff Vorschläge für eine Europäische Rechtsakademie, die in Trier gegründet werden sollte.

Mit großer Mehrheit unterstützte das Europäische Parlament 1991 diese Vorschläge in einem von dem niederländischen MdEP James Janssen van Raay formulierten Bericht. Unter Beteiligung renommierter Experten des Europarechts, darunter der Präsident des Europäischen Gerichtshofs Ole Due, gründete sich ein Verein zur Förderung der Europäischen Rechtsakademie, um die Idee Realität werden zu lassen. Die luxemburgische Regierung, geführt von Premierminister Jacques Santer, schloss sich der Initiative an, und die Europäische Kommission stimmte der Entscheidung des Parlaments zu, die Akademie regelmäßig finanziell zu fördern. Trier wurde als Standort für die Akademie wegen seiner Nähe zu Luxemburg als Sitz der Gerichte der Europäischen Union gewählt.

Offizielle Eröffnung

So kam es, dass am 8. und 9. November 1991 die Europäische Rechtsakademie in Trier vor über 200 Teilnehmern aus allen Mitgliedstaaten und den damaligen Beitrittsländern Finnland, Österreich und Schweden feierlich eröffnet werden konnte – eine Woche vor der Francovich-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, drei Monate vor der Unterzeichnung des Maastrichter Unionsvertrags und sieben Monate vor der förmlichen Gründung der Akademie. Das Stiftungsgeschäft wurde am 22. Juni 1992 in Trier unterzeichnet; Gründungsstifter waren das Großherzogtum Luxemburg, das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Trier sowie der Förderverein.

Im Gründungsjahr 1992 begann ein kleines Team engagierter Mitarbeiter, die Akademie mit einem Vorlaufprogramm zu europarechtlichen Themen, die teilweise bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben, bei den Zielgruppen vorzustellen (Asyl- und Einwanderungsrecht; Vorschlag einer Richtlinie für die Haftung bei Dienstleistungen; Bekämpfung des Subventionsbetruges; staatliche Beihilfen). Ab 1993 wurde das Programm, zunächst auf schmaler Basis, systematisch nach Veranstaltungstypen gegliedert und erweitert. Gleichzeitig begann die Entwicklung eines auf die spezifischen Bedürfnisse der sogenannten „Reformstaaten“ in Mittel- und Osteuropa zugeschnittenen Programms, mit dem diese als künftige Beitrittskandidaten zu betrachtenden früher sozialistischen Staaten bei der Vorbereitung auf ihren absehbaren Beitritt unterstützt werden konnten. Erste Veranstaltungen der ERA in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Justizministerium, der Jagiellonen-Universität und dem polnischen Obersten Gericht fanden bereits im Februar und März 1993 in Budapest, Krakau und Popowo bei Warschau statt.

Während es bis Ende der 90er Jahre mit Ausnahme der deutschen Länder und des Bundes nicht gelang, den Kreis der Stifter zu erweitern, war das für die Programmentwicklung und die Kontaktvermittlung in die Mitgliedstaaten und Berufsgruppen außerordentlich wichtige Kuratorium von Anfang an als ein gesamteuropäisches Gremium konzipiert. Es vereinte schon in den frühen Jahren der Akademie herausragenden europarechtlichen und -politischen Sachverstand aus Justiz, Anwaltschaft, Politik und Wissenschaft aller Mitgliedstaaten. Unter seinen ersten Präsidenten Willi Rothley MdEP und John Toulmin CMG QC (ab 1997) gab das Kuratorium wertvolle Impulse für die fachliche Entwicklung und die europaweite Verankerung der Akademie und förderte ihre innere Autonomie nachhaltig. Unbestritten war das Programm der ERA schon in den 90er Jahren nach Thematik, Ausgestaltung und Referenten ausschließlich europäisch ausgerichtet.

Das Konferenzzentrum

Obwohl sich die Stadt Trier bei Errichtung der Stiftung zur Einbringung eines geeigneten Tagungsgrundstücks verpflichtet hatte, dauerte es bis 1998, bis die ERA ihr eigenes Konferenzzentrum in Dienst stellen konnte. Kurse und Tagungen, die nicht in anderen europäischen Städten organisiert wurden, fanden bis dahin vor allem in Trierer Hotels statt. Schließlich bezog die Akademie das nach ihren Anforderungen konzipierte, vom Land Rheinland-Pfalz finanzierte Kongressgebäude im Sommer 1998. Das gemeinsam mit einem Neubau der Landeszentralbank und einem integrierten Tagungshotel in einheitlicher Bauweise errichtete Tagungszentrum wurde am 11. September 1998 in Anwesenheit der Präsidenten der Europäischen Kommission Jacques Santer, des Europäischen Parlaments José María Gil-Robles Gil-Delgado, des Europäischen Gerichtshofs Gil Carlos Rodríguez Iglesias und des EFTA-Gerichtshofs  Thór Vilhjálmsson offiziell eröffnet.

Mit der stetig steigenden Nachfrage nach den Veranstaltungen der Akademie in den folgenden zehn Jahren, dem Ausbau ihres Programms, der erheblichen Steigerung der Teilnehmerzahlen und dem erforderlichen Ausbau ihrer Belegschaft stieß die Kapazität des Tagungszentrums indes bald an Grenzen. Die ab 2005 absehbare Schließung der gleichzeitig mit dem Tagungszentrum errichteten Niederlassung der Deutschen Bundesbank (ehemalige Landeszentralbank) bot daher die einmalige Chance, Büro- und Tagungskapazität auf dem gleichen Gelände erheblich auszuweiten. Es gelang der Geschäftsführung der Akademie, bei ihren Stiftern – in erster Linie der Bundesrepublik Deutschland und dem Sitzland Rheinland-Pfalz – die erforderlichen Mittel zu akquirieren, um das ehemalige Dienstgebäude der Bundesbank 2009 zu erwerben und bis 2011 baulich in das bestehende Tagungszentrum zu integrieren, ohne den knapp kalkulierten Kostenplan von €8Mio. zu überschreiten. Das erweiterte Konferenzzentrum wurde am 25. März 2011 feierlich eröffnet.

In ihrem Tagungszentrum hat die Akademie eine spezialisierte Bibliothek aufgebaut, die Publikationen zu allen Bereichen des europäischen Rechts sowohl aus europäischer als auch aus unterschiedlichen nationalen Perspektiven umfasst. Seit 1999 ist sie darüber hinaus als Europäisches Dokumentationszentrum anerkannt und bietet ein aktuelles Archiv aller offiziellen EU-Publikationen auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Erweiterung der Stiftung

Um das politische Momentum im engen Zeitraum zwischen der Entwicklung des Konzepts 1990/91 und der Vollendung des Binnenmarkts 1992 zu nutzen, kam es auf eine rasche Gründung der ERA an, die zunächst nur durch einen EU-Mitgliedstaat und ein deutsches Land möglich war. Die Beschränkung des Stifterkreises auf einen, ab 1994 nach dem Beitritt Deutschlands auf zwei von zwölf (ab 1995 fünfzehn) Mitgliedstaaten führte jedoch zunehmend zu Zweifeln am europäischen Charakter der Akademie, auch wenn die Initiative zu ihrer Gründung vom Europäischen Parlament ausgegangen war. Für den im Januar 2000 ins Amt gekommenen Direktor Wolfgang Heusel wurde die Erweiterung der Stiftung daher zur wichtigsten Priorität.

Nach ihrer Satzung stand und steht der Beitritt zur Stiftung allen Mitgliedstaaten und Beitrittsländern der EU offen. Anders als bei der gemeinsamen Gründung eines europäischen Instituts durch die Mitgliedstaaten ist deren Gewinnung für den Beitritt zu einem bereits bestehenden und erkennbar auch ohne ihre förmliche Patronage funktionierenden Institut allerdings kein Selbstläufer. Beginnend mit Irland im Oktober 2000, gelang es jedoch in einem zwei Jahrzehnte dauernden Prozess, bis Oktober 2018 alle 26 weiteren EU-Mitgliedstaaten für eine förmliche Zustiftung zu gewinnen. Dabei wurden einige der beitretenden Staaten schon vor ihrem EU-Beitritt ERA-Stifter – so etwa Polen, Ungarn oder Kroatien. Das 2004 beigetretene Vereinigte Königreich hat seinen Status als Stifter ebenso wie das 2005 beigetretene Schottland auch durch seinen Austritt aus der Europäischen Union nicht verloren.

Die Stifter in chronologischer Reihenfolge:

1992 Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Stadt Trier, Förderverein (Gründungsstifter)
1994 alle sechzehn deutschen Länder gemeinschaftlich, Bundesrepublik Deutschland
2000 Irland
2001 Polen, Griechenland, Spanien
2002 Portugal, Italien, Niederlande, Vereinigtes Königreich
2003 Ungarn, Schweden, Finnland, Österreich
2005 Slowakei, Frankreich, Schottland
2006 Zypern
2007 Malta, Slowenien, Rumänien
2008 Tschechien, Bulgarien
2009 Kroatien
2012 Litauen
2014 Dänemark
2016 Lettland
2017 Belgien
2018 Estland

Europäische Justizfortbildung

Das Statut der ERA definierte von Anfang an die „mit der Anwendung und Ausfüllung des europäischen Rechts befassten Personen“ als Zielgruppen ihrer Programmarbeit. Zu den wichtigsten angesprochenen Berufsgruppen gehören daher Richter, Staatsanwälte und Justizbedienstete, Rechtsanwälte und Notare, die heute alle auch im Fokus der Justizfortbildungspolitik der Europäischen Union stehen.

Schon sehr früh traten Vertreter verschiedener europäischer Richtervereinigungen und einzelner nationaler Justizschulen in Verbindung mit der Akademie, um auf die spezifischen Bedürfnisse der nationalen Justizen zugeschnittene Schulungen zu entwickeln und die Justizjuristen näher mit dem für sie weitgehend unbekannten europäischen Recht vertraut zu machen. Diese Zusammenarbeit mündete 1999 in das Projekt der Einrichtung eines Netzwerks der Justizfortbildungseinrichtungen in der EU, für das im Jahr 2000 unter Federführung der ERA eine „Charta“ erarbeitet wurde, die im Oktober 2000 auf einer Konferenz der französischen Präsidentschaft in Bordeaux vorgestellt und bis zum Jahresende von Justizfortbildungseinrichtungen aller fünfzehn Mitgliedstaaten und der ERA unterzeichnet wurde. An der Abfassung der Charta maßgeblich beteiligt waren das deutsche Bundesministerium der Justiz, der spanische Consejo General del Poder Judicial, die französische Ecole Nationale de la Magistrature, der italienische Consiglio Superiore della Magistratura, das portugiesische Centro de Estudos Judiciários, das schwedische Domstolsverket und das englische Judicial Studies Board. Die ERA fungierte als Depositar der Beitrittserklärungen und wurde auf der ersten Generalversammlung im März 2001 in Stockholm zum Sekretariat des neuen Europäischen Justizfortbildungsnetzwerks EJTN berufen, ein Amt, die sie bis März 2005 wahrnahm.

In der Folge betrieb die ERA die Umwandlung des formlos begründeten Netzwerks in eine Vereinigung mit eigener Rechtspersönlichkeit, die im Dezember 2002 von der Generalversammlung in Kopenhagen beschlossen wurde. Auch nach Übernahme des Sekretariats durch das Netzwerk 2005 engagierte sich die ERA für dessen weitere Konsolidierung und die Aufnahme der neuen EU-Mitgliedstaaten in den Jahren 2004 und 2007. Die ERA wurde seit 2005 regelmäßig in den Lenkungsausschuss des Netzwerks gewählt und koordiniert seit 2011 dessen Arbeitsgruppe Programme.

Stiftungsreformen 2000 und 2019

Organe der Stiftung Europäische Rechtsakademie waren ursprünglich der Stiftungsrat, der als Vertretung der Stifter alle anderen Organe beruft, der die Geschäfte der Akademie führende Vorstand mit einem Direktor und bis zu zwei Stellvertretern sowie das als Beratungsorgan konzipierte Kuratorium. Von den Institutionen der Europäischen Union wurden Parlament, Gerichtshof und Kommission eingeladen, eigene Vertreter mit vollem Stimmrecht zu entsenden. Zum ersten Direktor berief der Stiftungsrat den damaligen Justizminister des Landes Rheinland-Pfalz Peter Caesar, dessen Haus erhebliche personelle und logistische Unterstützung in der Aufbauphase der Akademie leistete. Die Akademieleitung vor Ort übernahm indes einer der beiden Stellvertreter, der aus dem rheinland-pfälzischen Justizdienst freigestellte Ernst Merz.

Es zeigte sich bald, dass die Konstruktion eines aus einem Landesministerium geführten Vorstandes und die unklare Abgrenzung zwischen politischer Leitung und alltäglicher Geschäftsführung zum europäischen Charakter der Akademie wenig beitrug und mit dem wachsenden Geschäftsbetrieb zu unvermeidlichen Reibungsverlusten führte. Nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden Peter Caesars im Sommer 1999 und dem Weggang von Ernst Merz Ende 1999 schlug der zunächst nur geschäftsführend berufene neue Direktor Wolfgang Heusel dem Stiftungsrat im März 2000 eine grundlegende Reform vor, mit der die eigentliche Geschäftsführung unmittelbaren politischen Eingriffen entzogen und der politischen Ebene die ihr zukommende Aufsichtsverantwortung im Stiftungsrat zugewiesen wurde. Der Stiftungsrat verabschiedete die Reform mit der Maßgabe, dass der bisherige Vorstand unter der Bezeichnung „Geschäftsführung“ auftreten und ein neues, als „Vorstand“ bezeichnetes politisches Organ eingeführt werden sollte, dem indes ebenfalls nur beratende Funktion zukommt.

Eine weitere Besonderheit der ursprünglichen Stiftungsverfassung waren dem Land Rheinland-Pfalz eingeräumte Vorrechte, die es im Gegenzug zu seiner bei Errichtung der Stiftung eingegangenen Verpflichtung erhielt, für anderweit nicht gedeckte Zahlungsverpflichtungen der Stiftung einzustehen. Zum Ausgleich erhielt das Land das Recht, einen zweiten voll stimmberechtigten Vertreter in den Stiftungsrat zu entsenden, der gegen alle finanzwirksamen Entscheidungen des Rats – also insbesondere den jährlichen Haushaltsplan – vetoberechtigt war. Tatsächlich förderte das Land die ERA zwischen 1993 und 2020 mit einem Gesamtbetrag von über €48Mio. für Bau- und Betriebskosten, so dass der Stiftungsrat im November 2019 beschloss, das Land aus seiner Haftungsverpflichtung zu entlassen und im Gegenzug seine satzungsmäßigen Vorrechte zu streichen. Seit 2020 unterscheidet sich die rechtliche Position des Landes grundsätzlich nicht mehr von der anderer Stifter, auch wenn es als Sitzland der Akademie in besonderer Weise verbunden bleibt.

Präsidenten des Stiftungsrats seit Gründung:
1992-2000   Horst Langes
2000-2021   Jacques Santer
Seit 2021      Jean-Claude Juncker

Präsidenten des Kuratoriums seit Gründung:
1992-1997    Willi Rothley
1997-2010    John Toulmin CMG QC
2010-2021    Pauliine Koskelo

Vorsitzende des Vorstands seit Einführung:
2000-2002    Ana Palacio
2002-2006    Herbert Mertin
2006-2014    Klaus-Heiner Lehne
2015-2019    Pavel Svoboda
Seit 2021      Sabine Verheyen

Direktoren seit Gründung:
1992-1999    Peter Caesar (stv. Direktor Ernst Merz)
2000-2020   Wolfgang Heusel
Seit 2021      Jean-Philippe Rageade